Herausforderungen im Übergang in die nachberufliche Lebensphase

Mann in Holzwerkstatt
Für Personen die beruflich engagiert waren, kann die Pensionierung eine besondere Herausforderung bedeuten.

Die Pensionierung bedeutet eine wesentliche lebensbezogene Herausforderung, vor allem für Frauen und Männer, die beruflich intensiv engagiert waren.

Lebenszufriedenheit

Dank guter Gesundheit, aber auch dank ausgebauter wirtschaftlicher Absicherung können viele, wenn auch nicht alle, älteren Männer und Frauen von einem langen «gesunden Rentenalter» profitieren. Die Lebenszufriedenheit vieler Frauen und Männer ist nach der Pensionierung ebenso hoch, wenn nicht sogar höher, als vor der Pensionierung (auch weil viele Stressfaktoren wegfallen). Nach einer Zeit der Anpassung gelingt es den meisten Männern und Frauen gut, sich in diese neue Lebensphase einzuleben und Vorstellungen von einem «Pensio­nierungsschock» erweisen sich weitgehend als Mythos. Die zumeist positive Bewertung der Pensionierung hat auch damit zu tun, dass die Pensionierung zumeist, wenn auch nicht immer, ein Lebensereignis ist, das zeitlich klar geregelt ist, gut antizipierbar ist und oft gewünscht bzw. sogar herbeigesehnt wird.

Späte Freiheit

Dennoch bedeutet die Pensionierung eine wesentliche lebensbezogene Herausforderung, vor allem für Frauen und Männer, die jahrelang, wenn nicht sogar jahrzehntelang beruflich intensiv engagiert waren: Das Berufsleben bietet eine zeitliche wie auch soziale Struktur, welche das Leben positiv wie negativ berührt. Mit der Pensionierung entfällt diese Struktur und Personen werden sozusagen in eine «späte Freiheit» (ausserhalb beruflicher Ordnungsstrukturen) entlassen. Als frisch pensionierte Person ist man/frau «freigestellt».

Man hat alle Freiheiten der Welt, aber es sagt einem niemand, wie man/frau diese ‹späte Freiheit› sinnvoll ausfüllen soll.

Möglichkeiten als Herausforderung

Wesentliche soziale Vorgaben entfallen und die nachberufliche Lebensphase muss individuell (oder eventuell paarweise) gestaltet werden, wobei heute die Vielfalt an Möglichkeiten zumindest für gesunde Rentner und Rentnerinnen zur Herausforderung wird («man/frau kann vieles tun, man/frau ist aber zu nichts verpflichtet»). Die Wahl einer neuen gemeinschaftlichen Aktivität nach der Pensionierung kann unter Umständen ebenso anspruchsvoll sein, wie die erste Berufswahl. Entsprechend erweist sich eine individuelle Beratung zu sozialen Engagements im Alter zunehmend als zentral.

In der ersten Übergangsphase nach dem Erwerbsaustritt lassen sich vielfach zwei Sachverhalte feststellen

1. Es wir mehr geplant als realisiert

Erstens wird im Wechsel vom Berufsleben zur Pensionierung oft mehr geplant als später realisiert. Vor der Pensionierung werden viele Pläne geschmiedet. Diese werden später nicht oder nur teilweise umgesetzt; sei es, dass andere Interessen wichtig werden; sei es, dass man sich zuerst einmal von der langjährigen Berufsarbeit erholen möchte oder sei es, dass gesundheitliche oder finanzielle Einschränkungen den Handlungsspielraum eingrenzen. 

Die erste Phase der Pensionierung ist vielfach eine Phase einer neuen Sinnfindung und neue Aktivitäten müssen nach und nach entwickelt werden (und mit den neuen finanziellen Möglichkeiten in Einklang gebracht werden). Generell zeigt sich, dass im Rentenalter nicht einfach viel Aktivität zu mehr Wohlbefinden beiträgt, sondern zentral ist ein Aktivitätsniveau, das dem bisherigen und aktuell gewünschten Aktivitätsniveau entspricht. 

Wichtig ist es in der nachberuflichen Lebensphase seinen eigenen Rhythmus und seine eigene Alltagsstruktur zu entwickeln und zu finden.

2. Sich Zeit nehmen erscheint häufig sinnvoll

Zweitens erscheint es häufig sinnvoll, sich nach der Pensionierung einmal genügend Zeit zu geben, um eventuell zusammen mit der Lebenspartnerin bzw. dem Lebenspartner die «späte Freiheit» vorerst zu geniessen (auch im Sinne einer Erholungsphase bzw. einem Sabbatical nach anstrengenden Erwerbsjahren). Sich zu rasch wieder in neue Verpflichtungen zu begeben, kann sich längerfristig negativ auswirken, weil eine übergangslose nachberufliche Hektik die Anpassung an die neuen Herausforderungen des höheren Lebensalters verhindert und die Entwicklung neuer Chancen jenseits des Erwerbslebens behindert. 

zum Autor

François Höpflinger, Prof. Dr., geb. 1948. Seit Jahren in der Alters- und Generationenforschung tätig. Studiendossier zu Generationenfragen – in Familien, Arbeitswelt, Gesellschaft und Sozialpolitik. Konzepte, theoretische Ansätze und empirische Beobachtungen.

François Höpflinger

François Höpflinger, Prof. Dr.
Universität Zürich

Pensionierung

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