Zur Generativität der nachberuflichen Lebensphase

Grossvater und Enkelin
Generativität bedeutet auch, Verantwortung sich selbst gegenüber zu übernehmen.

In einer sich rasch verändernden Gesellschaft ist es entscheidend, dass sich auch Vertreter und Vertreterinnen älterer Generationen gegenüber neuen Ideen nachkommender Generationen offen zeigen, beispielsweise durch Formen wechselseitigen Generationenlernens.

Solidarität und Entlastung

Generationenprojekte können ein entscheidender Faktor zur Bewältigung der demografischen Alterung werden: Wenn gesunde und aktive Altersrentner und Altersrentnerinnen sich aktiv um fragile alte Menschen kümmern – etwa in Projekten «Senioren helfen Senioren» – wird damit nicht nur die intergenerationelle Solidarität zwischen Personen im dritten Lebensalter (gesundes Rentenalter) und Personen im vierten Lebensalter (fragiles Alter) gestärkt, sondern auch die jüngeren, erwerbstätigen Töchter und Söhne alter Eltern werden entlastet. 

Generativität in späteren Lebensphasen

In diesem Rahmen gewinnt das Konzept einer «Generativität in späteren Lebensphasen» eine zunehmende gesellschaftliche Bedeutung. Ein Kennzeichen generativer Personen besteht darin, dass sie für nachkommende Generationen Sorge tragen und sich ihrer Verantwortung für jüngere Personen bewusst sind. 

«Generativität in späteren Lebensphasen» bezieht sich sowohl auf die Vermittlung und Weitergabe von Erfahrungen an jüngere Generationen als auch auf Aktivitäten, durch die ältere Menschen einen Beitrag für das Gemeinwesen leisten. Etwa via Freiwilligenarbeit, aber auch via Offenheit für die Interessen nachkommender Generationen. Dies trägt nicht nur zum Wohle der Gesellschaft bei, sondern ist auch mit einem hohen persönlichen Nutzen verbunden und wirkt sich positiv auf die psychische Befindlichkeit pensionierter Menschen aus.

Drei Formen von Generativität

Eine interessante Konzeptualisierung verschiedener Formen der Generativität des höheren Lebensalters entwickelte in ihren letzten Lebensjahren die Altersforscherin Margret M. Baltes. Sie unterschied drei sich gegenseitig beeinflussende Formen von Generativität des späteren Lebens: 

  1. die Schaffung überdauernder Werte, was eine Auswahl sinnvoller Lebensziele und Sozial­kontakte speziell auch im Rentenalter einschliesst,
  2. die Wahrung kultureller Identität und eine Optimierung der Verknüpfung von Wandel und Kontinuität, sei es durch die Betonung sozio-kultureller Konstanten im Wandel oder sei es durch Integration von neuen Dingen in das Alte,
  3. Selbstverantwortlichkeit, um im Rentenalter Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und dadurch die Belastung anderer (jüngerer) Menschen zu verringern, beispielsweise durch Nutzung moderner Technologien, um auch im Alter noch selbständig haushalten zu können.

Verantwortung sich selbst gegenüber

In öffentlichen Diskussionen wird viel über den Erfahrungsschatz des Alters gesprochen, aber eine zentrale Leistung vieler pensionierter Frauen und Männer zur Entlastung der nachkommenden Generationen bleibt weitgehend unbeachtet. Bei dieser Leistung handelt es sich um den oft ausgeprägten Willen von zunehmend mehr pensionierten Frauen und Männer, sich auch im Rentenalter aktiv und gesund zu bleiben, etwa durch viel Bewegung, regelmässige Weiterbildung oder positiv erlebte soziale Kontakte. Dadurch, dass pensionierte Menschen Verantwortung für sich selbst und ihre Gesundheit tragen, fallen sie den jüngeren Generationen nicht oder viel später zur «Last»: Generativität bedeutet hier, Verantwortung nicht nur anderen gegenüber zu übernehmen, sondern vor allem auch sich selbst gegenüber. 

Gesunder Lebensstil als Beitrag zum Generationenvertrag

Angesichts der steigenden Zahl pensionierter Menschen, wird der Erhalt von Selbständigkeit im Rentenalter eine immer bedeutsamere Säule des gesundheits- und sozialpolitischen Generationenvertrags, denn je länger pensionierte Frauen und Männer ihren Alltag selbständig gestalten können, desto geringer ist die pflegerische Belastung der nachkommenden Generationen. So zeigt sich schon heute, dass sich aufgrund besserer Bildung und vermehrten geistigen Aktivitäten im Rentenalter das Risiko einer Demenzerkrankung sinkt. Entsprechende Szenarien weisen klar auf, dass eine Ausdehnung der gesunden Lebenszeit (nach 65+) die demografisch bedingte Zunahme an Gesundheits- und Pflegekosten wesentlich reduzieren kann (wodurch auch die Gefahr eines Pflegenotstands verringert wird). 

zum Autor

François Höpflinger, Prof. Dr., geb. 1948. Seit Jahren in der Alters- und Generationenforschung tätig. Studiendossier zu Generationenfragen – in Familien, Arbeitswelt, Gesellschaft und Sozialpolitik. Konzepte, theoretische Ansätze und empirische Beobachtungen.

François Höpflinger

François Höpflinger, Prof. Dr.
Universität Zürich

Gesundheit

Verwandte Beiträge